Als Antwort auf Lutz.
Guten Abend lieber Herr Geißler und Danke für die Rückmeldung, welche mich sehr freut. Eines vorweg; „den“ alleingültigen erzgebirgischen Stollen gibt es logischerweise natürlich nicht. Das wäre ja schlimm und vermessen. Davon hatte ich auch nichts geschrieben, sondern von Wegen hin zu einem Stollen, wie er hier üblicherweise zubereitet wird.
Also jetzt kurz zu den Unterschieden, da ich ja meinte, mich erinnert Ihre Zutatenliste + Herstellungsbeschreibung viel mehr an die Dresdner Art, als an unsere hier im Gebirge.
Durch meine lange Erfahrung durchs selbst Backen und vor allem mit befreundeten Hausbäckern denke ich, ich kann etwas zum Thema Stollen äußern.
Beim erzgebirgischen Stollen, wird stets ein weiches Hefestück gemacht – sprich, einfach Hefe in warmer Milch aufschlämmen und mit einem Teil des warmen Mehls vermischen, abgedeckt gehen lassen, bis es ordentlich Volumen erreicht hat und beim antippen fast wieder in sich zusammensackt.
Dann weiter – bei der Zutatenliste findet man quasi durchgängig eine Mischung aus verschiedenen Fetten. Sowohl tierisch als auch pflanzlich ist hier üblich und vor allem erlaubt, nicht wie in Dresden, wo nur Butter erlaubt wird. Diese hießige Mischung besteht sehr oft aus Butterschmalz/Butter/Schmelzmargarine (ja, da gibt es sehr gute), dann Schweineschmalz, also ausgelassenem „grünen“ Speck/Schmer, zudem kann gelbes Pferdefett und sogar Kalbsnierenfett vorkommen. Solche Mischungen sind kein Qualitätsmangel, oder weil es „früher, bzw. im armen Gebirge halt nischt andres gab“, wie es gern heißt. Man bedenke, selbst bei Butter von teuren Marken kann man heutzutage voll reinfliegen.
Die Fettigkeiten werden im Allgemeinen geschmeidig bis sehr weich zugesetzt, sodass die Teigbildung nicht mit festen Klumpen behindert wird. Es wird insgesamt betrachtet kein Teig zusammengesetzt, der aus einem Fett-Zucker-Mandel/Mehl-Gemisch (bis hin zu mürbteigartigen Vorstufen) und einem bereits vorab gekneteten, auf Gare gestellten Hefeteiganteil besteht, sondern die schwereren Zutaten, wie gemahlene, eingeweichte Mandeln, fein gehacktes Orangeat/Zitronat und schlussendllich möglichst sehr lang eingeweichte Rosinen wandern der Kategorie nach in den Kneter, nachdem man aus dem weichen Hefestück und dem restlichen Mehl/Milch + Zucker und den Fetten bereits einen schweren Hefeteig gemischt hat. Der fertige Teig verträgt, bzw. braucht je nach Raumtemperatur locker ne 1/2 Stunde Teigruhe und wird dann nur nochmal kurz ausgestoßen, bevor es ans Abwiegen und Formen geht. Danach geht es ja ohnehin ganz schnell, lange Gare auf dem Blech ist nicht nötig, 10 Minuten reichen, es sei denn der Teig ist zu schwer/kalt und auch noch mit zu wenig Hefe zubereitet worden, dann muss man eben schon warten. Schneiden, einschieben, Schwaden geben und in einem Bereich zwischen 190 auf 175 leicht fallend backen lassen. 45 Minuten bei 2-Pfündern, eine Stunde bei 3-Pfündern kann man als Richtgröße annehmen. Nungut, jetzt bin ich von einer Antwort an Sie, die sich ansich um die Unterschiede der verschiedenen Stollenherkunftsgebiete in der Zubereitung drehen sollte, doch in eine grobe Anleitung zur Obererzgebirgischen Stollenvariante abgewichen. Ich hoffe, das ist nicht zu weit ausgeholt und klingt nicht belehrerisch. Vielleicht kann ja damit sogar der ein oder andere Leser Anregungen finden. Unsere Stollen, egal ob das jeweilige Familienrezept nun herausragend oder durchschnittlich ist – um nochmal kurz aufs Thema Tradition zu kommen – ist in erster Linie eine Sache, die Kindheitserinnerungen weckt, sowohl beim Backen als auch beim Genießen. Und wer noch zu jung ist um diese Kindheitserinnerungen zu haben, dem werden dadurch auf der geschmacklichen Seite welche geschenkt. Über Nachbehandlung und Lagerung schreibe ich an der Stelle nicht weiter, auch das hat noch Eigenheiten. Das kann auf Wunsch erfolgen. Achso, für alle Stollenback-Interessierten nur ein paar Worte noch zum Mehl. Stollen als schwerster Hefeteig gelingt am besten mit einem speziellen Mehl, wo Klebergehalt und Kleberqualität sehr besonders sind. Das sollte man sich am besten in Mühlenläden oder direkt beim Bäcker in der entsprechenden Saison kaufen. Übliche Typenmehle der Sorten 405 oder 550, empfehle ich, nicht zu verwenden. Freundliche Grüße an Sie, Herr Geißler, und alle Leser.